Wie laufen Meetings in Unternehmen häufig ab? Irgendjemand verfasst eine Agenda, verschickt diese mit dem Termin, bucht einen Raum, vielleicht Kaffee dazu und dann war es das. Am Tag X kommen die Eingeladenen unvorbereitet zusammen, oftmals gestresst zwischen lauter anderen Terminen oder Aufgaben und sind froh, dass sie es noch rechtzeitig geschafft haben. Das ist für keinen Zufriedenstellend, aber wird so gelebt und ist dem System geschuldet. Eine Alternative dazu ist ein Flipped Meeting – das eingefahrene System der Meetings auf den Kopf stellen.
Der Tag X ist gekommen und es geht los. Der Raum ist meist zu klein und optimiert (sprich vollgestellt), die Tischreihe lang und die Stühle eng an eng – echte Kommunikationsbremsen. Erste Aufgabe – nachdem man seinen der Hierarchie entsprechenden Platz gefunden hat – das Abstimmen der Agenda. Sind alle Punkte aufgeführt? Ist die Reihenfolge korrekt? Zwischendurch noch die Einwürfe, warum Kollege Meier nicht da ist (er hat es nicht geschafft, weil er zu viel zu tun hatte – Stellt sich kurz die Frage: Warum war er dann eingeladen? Ist das Thema nicht wichtig genug? Oder ist es gar nicht schlimm, dass er da ist, da er sowieso nichts beizutragen gehabt hätte?).
Die ersten 15-20 Minuten sind geschafft. Dann wird die Runde darüber informiert, was auf dem letzten Meeting passiert ist. Das letzte Protokoll, das ein Kollege reih um aus der Runde immer schreiben muss (mit der lustigen Bemerkung „Wer schreibt der bleibt“) war sozusagen für die Katz, da es niemand gelesen hat.
Die ersten gehen, da zeitgleich noch ein anderes Meeting ansteht, an dem man unbedingt teilnehmen muss. Diese Zeit des Aufbruchs wird von den Kollegen, die nicht dauernd auf dem Handy spielen oder sich hinter ihrem Notebook-Deckel verstecken, genutzt, um kurz die Nachrichtensituation im Unternehmen, zuhause oder in der Welt zu prüfen.
Dann geht es in die Bullet-Abarbeitungs-Orgie mit Rechtfertigungszwang los: Müller, was haben sie vor zwei Wochen in Projekt X gemacht? Meier, ist nicht da, daher die unvorbereitete Kollegin mit den Zahlen, die sie grad noch schnell zusammengesucht hat. Abschließend Schulze mit seinem Folienkino – viel hilft viel. Dazwischen die lieblos eingestreuten Ph(r)asen, wo der größte Gockel ausgekämpft wird, im Wechsel mit dem immer wieder beliebten Ober-sticht-Unter-Spiel. Für die Kartenfreunde wird die Runde mit einer Runde „Schwarzer-Peter“ aufgelockert. Oder es ist alles Wohlwollend und man ist beliebig lieb zu einander – keiner ist vorbereitet, keinen stört es und Missstände werden als gegeben hingenommen.
Am Ende geht man wieder auseinander, die Zeit ist um, der Protokollant benannt und die noch offenen Punkte sind vertagt. Es ist – kurz gesagt – unsäglich: Jeder ist unzufrieden, aber es wird nichts geändert! Von der Qualität der Ergebnisse ganz abgesehen.
Von Flipped Classroom zum …
In der Lehre gibt es seit geraumer Zeit „Flipped Classrooms“. Das Konzept ist recht einfach: Anstatt in der Vorlesung oder im Unterricht den Stoff zu vermitteln und die Lernenden mit ihren Fragen im Anschluss nach Hause zu schicken, erhalten die Lernende alle Materialien im Vorfeld. Das sind nicht nur die schriftlichen Materialien, denn das gab es so schon immer, sondern auch – wenn vorhanden – Filmmaterial oder eine Videoaufzeichnung des Vortragenden. Diese wurde entweder gezielt im „Studio“-Büro aufgezeichnet oder stammt aus einer vergangenen Veranstaltung.
Die Präsenszeit wird nun genutzt, um Fragestellungen gemeinsam zu bearbeiten, zu diskutieren usw. Das Konzept hat viele Vorteile: Dozenten müssen nicht jedes Semester das gleiche Erzählen; Lernende können sich selber einteilen, wann sie sich mit dem Stoff beschäftigen wollen und die gemeinsam Zeit wird genutzt, um mit dem neu erlernten Stoff zu arbeiten.
… Flipped Meeting
Das gleiche geht auch im Unternehmenskontext. Wäre es nicht hilfreich für alle beteiligten, wenn der Druck und die Unzufriedenheit beseitigt wird und Meetings wieder zu dem werden, wozu es eigentlich Sinn macht: Ein Treffpunkt, um sich persönlich auszutauschen und um gemeinsam an Themen und Herausforderungen zu arbeiten.
Der Weg zum Flipped Meeting:
1. Die Einladung:
Warum wird diese verschickt? Stellen sie das Meeting allen Interessierten zur Verfügung! Was sich nach Beliebigkeit anhört, hat den Zweck, dass diejenigen zum Meeting erscheinen, die etwas dazu beizutragen haben.
Um das zu erreichen, gehört noch viel mehr an Neugestaltung im Unternehmen, um diesen Punkt zum Erfolg zubringen, aber am Ende haben sie die Personen im Meeting, die einen Beitrag liefern wollen.
Haben sie zum Beispiel Angst vor Meeting-Touristen (die es auch so gibt): Dann haben sie bereits an einer ganz anderen Stellen Probleme, die im Meeting nur sichtbar werden!
2. Die Agenda:
Anstatt ein als fertig hinzunehmendes Dokument in Form einer E-Mail oder eines PDF Dokuments zu verschicken wird die Agenda in einem Wiki erstellt.
Das hat den Vorteil, dass alle anderen an dem Vorschlag mitarbeiten können und ihre Ergänzungen hinzufügen können.
Beispiel: Punkt 3 der Agenda kann entfallen, da der Kunde noch nicht reagiert hat. Punkt 5 erhält eine Ergänzung, z.B. den Link zu den aktuellen Infos in der Projektcommunity.
So wird nach und nach die Agenda durch die Teilnehmer optimiert. Im Meeting sind alle auf dem gleichen Stand und haben die relevanten Informationen. Der Punkt „Sonstiges“ – sprich für den Agenda-Ersteller unvorhersehbares – kann entfallen.
Ein weiterer Vorteil ist, man hat sich bereits Tage vor dem Meeting mit der Agenda beschäftigt. Unser Gehirn mag das, denn es hat nun Zeit, sich in einer stillen Ecke damit auseinanderzusetzen.
3. Die Vorbereitung
Wie soll man vernünftig auf einem Meeting argumentieren und diskutieren, wenn man die Inhalte erst in diesem Moment erhält. Das kann nicht funktionieren. Daher wäre es besser wenn diese Materialen bereits im Vorfeld allen zur Verfügung gestellt werden.
Folien an die Agenda hängen ist ein Ansatz, aber bei weitem nicht optimal.
Viel besser ist es, wenn die Informationen, die für das Meeting relevant sind, grundsätzlich transparent und zentral gespeichert werden. Dazu muss bei den meisten Unternehmen die Kommunikations- und der Informationsaustausch verändert werden. Weg vom E-Mail Austausch hin zum gemeinsamen Arbeiten in offenen Communities: ein Ablageort, ein Ort um sich (außerhalb von Meetings) gemeinsam auszutauschen, eine Stelle, an der alle relevanten Informationen zu finden sind (alle im Sinne von „alle“)
Daraus wird ein Flipped Meeting:
- Jeder hat Zugriff auf alle Materialien
- In der Agenda werden die für das Meeting relevanten Informationen nochmal zusammengefasst oder aufbereitet.
- Im Meeting werden nicht mehr die bekannten Informationen ausgetauscht, sondern an den Fragestellungen gearbeitet!
Sie werden merken, bereits nach den ersten Meetings verändert sich die Meetingkultur. Es gibt keine Geheimnisse mehr, es gibt keine Nebenabsprachen mehr, kein – Oh, das habe ich vergessen – und vieles mehr.
Der Blick in den Meetings richtet sich nach vorne, denn es muss nichts aufgearbeitet und abgefragt werden. Keine Rechtfertigungen mehr über Ereignisse, die in der Vergangenheit liegen.
Der Blick kann nach vorne gerichtet werden. Es können die anstehenden Herausforderungen von Anfang an angegangen werden.
4. Das Protokoll:
Häufig noch gepflegt und zum Einsatz gebracht: die ausführlichen Protokolle, die von irgendjemanden in der Runde zeitaufwendig geschrieben und anschließend im E-Mail Ping-Pong abgestimmt werden bis alle glücklich sind. Oder die „Minutes“, die irgendjemand aus der Runde aus den eigenen handschriftlichen Bemerkungen Tage später zusammengeklöppelt hat.
Zwei Alternativen dazu: Das Agenda-Wiki wird live und in Farbe (sprich via Beamer oder Whiteboard) und für alle sichtbar um die Ergebnisse des Meetings ergänzt.
Eine weitere Alternative ist Powerpoint im Einsatz auf einem „Stift-Notebook“. Die vorbereiteten Folien werden durch den Protokollanten mit Notizen versehen. Mit ein wenig Übung und einem entsprechenden Folienaufbau kann man sehr gute Ergebnisse erzielen, die abgespeichert allen sofort zur Verfügung stehen. Gleiches geht auch mit OneNote von Microsoft und anderen Tools. Wichtig ist: Alle sehen das Ergebnis während es erfasst wird.
5. Die Räumlichkeiten:
Weg mit den engen, statischen und unkreativen Bestuhlungen.
„Wer immer gleich eingeengt sitzt hat auch immer die gleichen eingeengten Gedanken.“.
Rein mit den Sofas, Stehtischen, Stehhilfen und anderen Sitzgelegenheiten in jeglicher Form. Wo findet auf Partys der beste Austausch statt: Genau, in der Küche. Richten sie eine großzügige Küchenecke mit Meeting Werkzeugen ein. Bemalen sie ihre Wände mit Lack- und Magnetfarben und stellen sie Visualisierungsmaterialien vielfältiger Art zur Verfügung.
Vergessen sie nicht, dass nur die wenigsten Kollegen sich trauen, einfach einen Stift zu nehmen, um los zu malen und zu skizzieren. Ab und an eine kleine Übungseinheit, wie man mit die Materialen im Raum nutzen kann, zahlt sich aus.
Aktivieren sie die Teilnehmer
Meetings sind was Tolles. Sie dienen dem Austausch, dem miteiander und dem gemeinsamen Arbeiten Herausforderungen und Fragestellungen. Sorgen sie dafür, dass Meetings ihren negativen Charakter verlieren und verlagern. Flipped Meeting ist ein Weg, um Meetings attraktiver und wieder wertvoller zu machen.
Die Umkehrung der Meetingvorbereitung und die offene Form der Durchführung erzeugt eine bessere Meetingkultur. Die Ergebnisse werden schnell sichtbar und erlebbar besser durch eine Umstellung auf Flipped Meeting..
Nun wird sicherlich der eine oder die andere argumentieren, dass man dafür keine Zeit hat. Das sind die, die den Wagen mit den eckigen Rädern hinter sich herziehen und total beschäftigt sind. Lassen sie sie ziehen.
PS: Meetings im allgemeinen und nicht nur Flipped Meeting sind eines meine Lieblingsthemen. 😉
Dieser Post entstand in Zusammenarbeit mit dem HP Business Value Exchange Blog.
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